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Der Markenname der hier gebräuchlichsten Fliegenfänger
polnisch lep na muchy , jener honigklebriggelben Papierstreifen,
die man in der Zimmermitte an die Lampe hängt, lautet in Abwandlung
des Herstellers BAYGON, was mich unweigerlich an Saigon denken läßt,
an das brennende Napalm aus Apokalypse Now und die Hubschrauber
aus Deer Hunter. Zumindest, wenn die Fliegen morgens mit schwirrenden
Flügeln über mir zu kreisen beginnen und dann so lange auf jedem
unbedeckten Stück Haut landen, bis ich mich verzweifelt ganz in den
Schutz der Decke zurückgezogen habe, sie wie im tiefsten Winter bis
zu den Ohren hinauf, und schwitzend, doch gleichwohl schlaflos, noch lange
daliege, bis ich mich endlich aufzustehen entschließe.
Entsprechend registriere ich völlig mitleidlos, ja freudig, wenn
wieder eine Fliege auf dem gelben Todesstreifen notlandet und wie der
kleine Elektromotor von LEGO, den ich als Kind oft bis zum Anschlag beschleunigte,
einige Minuten lang schrill summt, einmal pausiert, nochmals und immer
länger, und schließlich verstummt. Fasziniert betrachte ich
durchaus öfter am Tage willkommene Illustration der Fliegenfängergeschichte
Robert Musils , wie die schwarzen Körper anhaften und mit
welchen Zuckungen sie sich wieder zu lösen versuchen, um doch mit
jeder Bewegung nur vollständiger mit dem goldglänzenden Klebefilm
versponnen zu werden. Manchmal puste ich auch ein wenig über ihre
Leiber hin und es scheint mir, als ob manche der Fliegen, die dann noch
mit einem Bein zuckt oder gar noch einmal lossummt, erstaunlicherweise
schon vor mehreren Tagen eingefangen wurde vom Klebstoff und längst
getötet oder zumindest betäubt sein sollte von jenen sicher
giftigen, für Menschen aber wohl ungefährlichen Dämpfen.,
über deren Zusammensetzung ich nichts weiß, da ich die polnische
Packungsbeschriftung nicht zu übersetzen imstande bin.
Wenn ich es am Abend bei geschlossenem Fenster, das ich wegen der Insekten
nicht zu öffnen wage, im Zimmer wegen der Hitze nicht mehr aushalte,
gehe ich oft zum Essen ins BELWEDER, das am Rande desselben Waldgebietes
liegt wie meine Unterkunft in diesem Sommer. Auch der Krakauer Zoo befindet
sich nahebei, und manchmal hört man auf dem Weg durch den Wald die
wilden Tiere. Das Ausflugsrestaurant wurde noch kurz vor Kriegsende als
Erholungsheim für deutsche Luftwaffen-Offiziere in typisch schmucklos-biederer
Monumentalität erbaut, und wäre völlig reizlos, böte
die Terrasse nicht einen wunderschönen Blick ins Weichseltal hinab.
Folgt man dem Fluß wenig mehr als 30 Kilometer in Richtung Westen,
gelangt man nach Auschwitz. INFORMATOR steht auf dem Titel der deutschsprachigen
Broschüre des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, darunter ein
Photo der Rampe. Für den polnischen Namen des Ortes fehlen in sämtlichen
Zeichensätzen meiner Textverarbeitung die notwendigen Sonderzeichen.
So tippe ich: OSWIECIM.
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